Karina, so will ich die 54-jährige Bewohnerin die gestern in unser Haus geflüchtet ist nennen.
Karina ist traurig und sehr schüchtern, sie erzählt zum ersten Mal von ihrem gewalttätigen Partner, von seiner Wut seinem Hass. Vor vielen Jahren hatte sie einen Traum, sie wollte den Mann den sie liebt heiraten, mit ihm Kinder bekommen und ein glückliches Leben führen. Nichts von dem Traum ist in Erfüllung gegangen, sie hat weder den Mann den sie liebt geheiratet, noch von ihm Kinder bekommen noch hat sie ein glückliches Leben. Sie kann gar nicht mehr aufhören zu erzählen, als ob ein Damm gebrochen wäre. Die Worte fließen unaufhörlich aus ihrem Mund.
Auf einmal strahlt mich Karina an, sie beginnt plötzlich davon zu erzählen, wie es weitergehen kann ohne ihn, was sie sich wünscht, wenn er endlich nicht mehr in ihrem Leben ist, sie träumt von einem gewaltfreien und selbstbestimmten Leben.
Doch kurze Zeit später, schaut mich eine resignierte Karina an, sie hat Tränen in den Augen, sie wird zurückgehen. Sie möchte nicht, aber die 42 € Miete pro Tag kann sie nicht bezahlen. Ich versuche sie umzustimmen, es gibt Spender die die Miete vielleicht übernehmen können, ich versuche sie irgendwie dazu zu bewegen eines meiner Angebote anzunehmen. Sie winkt ab. Noch nie in ihrem Leben hat sie Schulden gemacht, es ist ihr zu unsicher, sie hat Existenzangst.
Ich sehe Ihr noch hinterher, nachdem ich sie an der Haustür verabschiedet habe. Mein Mund ist trocken und ich spüre diese ohnmächtige Wut in mir aufsteigen, auch nach 18 Jahren spüre ich diese Wut.
Warum muss Karina zurück in die Gewalt gehen, warum müssen die Frauen neben dem Verlust ihrer vier Wände auch noch ihre Würde verlieren, sich wie Bettlerinnen fühlen obwohl nicht sie die Täter sind.
Ich bin geknickt und renne zur Schokolade, ich ertrage es kaum, aber das ist die Realität.